Die Lebensgeschichte des Vorarlberger Landesinnungsmeisters Hubert Ratz kann man getrost mit dem Titel der bekannten Erzählung von Peter Rosegger beginnen: Als ich noch der Waldbauernbub war. Es gibt in der Tat einige Parallelen zwischen Peter und Hubert.
Beide stammen aus Bergbauerngemeinden – nämlich Alpl und Egg, die knapp über 600 Meter hoch liegen: beide kommen aus kinderreichen Familien (Peter sieben, Hubert vier), beide begannen mit 15 Jahren ihre Lehre, der eine als Schneider – der andere als Hafner. Die bäuerlich geprägte Kindheit von Hubert Ratz spielte sich hauptsächlich auf dem sogenannten Vorsäß statt. Das ist erklärungsbedürftig. Ein Vorsäß oder Maisäß ist die Sonderform einer bewirtschafteten Alpe, die im westlichen Tirol und in Vorarlberg recht verbreitet ist und üblicherweise zwischen 1200 und 1500 Meter Höhe liegt. In der Gemeinde Egg gibt es heute noch rund 200 Alp- und Vorsäßhütten.
Das Leben und Arbeiten dort kann sich heute kaum jemand vorstellen. „Ich musste um 4 Uhr aufstehen und um 5 Uhr weggehen, damit ich um 7 Uhr in der Volksschule in Großdorf war“, erinnert sich Ratz. Das war ein weiter Weg für den Kleinen, dessen Alltag auch noch von der Arbeit im elterlichen Betrieb mit sieben Milchkühen geprägt war. Dazu kommt, dass es da oben keinen Strom gab. Die wunderschöne Umgebung des Bregenzer Waldes mag heute vor allem für Touristen die mangelnde Infrastruktur vergessen lassen. Für Hubert förderte indes sie schon früh eine Leidenschaft, die ihn bis heute beseelt: Die Jagd und die Natur.
Als Wildschütz erwischt
Schon als Zwölfjährigen prägte Ratz Junior der Vorsatz Förster zu werden. Mit der Leidenschaft für Forst und Jagd war er damals aber nicht allein. Da gab es eine kleine Gruppe von Gleichgesinnten, die genau wie er nachts und möglichst bei Vollmond durch den Wald streiften. „Mit 13 hab‘ ich meine erste Gams geschossen.“ erzählt Hubert. Ein Gewehr ist in einer solchen Gegend rasch bei der Hand und um so Kleinigkeiten wie Jagdschein oder Waffenbesitzkarte hat sich da niemand gekümmert. Es kam wie es kommen musste: Fünf jugendliche Wilderer wurden sozusagen auf frischer Tat ertappt und festgenommen. Die Eltern fielen aus allen Wolken. Vor allem als die Folgen der Wilderei klar wurden. Nach einem mehrjährigen Verfahren entging Hubert Ratz nur knapp einer Haftstrafe. Dafür wurde die Buße für das illegale Waidwerk ziemlich teuer: „Das hat damals ungefähr soviel gekostet wie der Rohbau eines Hauses.“ berichtet Hubert, der inzwischen längst seiner Jagdleidenschaft ganz legal nachgeht. Immerhin ist die Wildschütz-Geschichte fast 40 Jahre her.
Architekt und Hafner
Neben dem Berufswunsch Förster stand für Hubert Ratz auch die Neigung für Architektur am Beginn der beruflichen Ausbildung. Ein neu gesetzter Kachelofen im Haus zeigte ihm die Alternative Hafner auf und er nahm eine Lehrstelle an. Die drei Jahre waren auch nicht so einfach, wie das heutzutage für die meisten Lehrlinge ist. Da musste weiterhin ein halbes Jahr auf der Alpe verbracht werden. Das Jungvieh wollte gehütet werden. Da war die Berufsschule in Lilienfeld fast wie Urlaub. Hubert blieb jeweils die vollen acht Wochen in Niederösterreich im Internat. Er wurde Schulsprecher und vergaß auch die architektonische Komponente nicht. Ein halbes Jahr befasste er sich auch mit Hochbau.
Pionier Ratz und Olympia
Die heurigen olympischen Spiele in Pyeongchang sind noch in Aller Munde. Das ist 8.300 Kilometer entfernt. Da erinnern wir Österreicher uns gerne, dass die Winterspiele im Zeichen der fünf Ringe auch zweimal bei uns stattgefunden haben. Nämlich in Innsbruck 1964 und 1976. Bei der zweiten Ausgabe war auch Hubert Ratz aktiv dabei. Allerdings nicht als Sportler. Hubert absolvierte in den Jahren 75 und 76 gerade seinen Präsenzdienst beim österreichischen Bundesheer. Als Pionier waren seine Kameraden und er bei diversen Sportstätten im Einsatz.
Es wäre nicht Hubert Ratz, wenn es nicht auch in dieser Bundesheerzeit ein ganz besonderes Geschichterl gäbe. Irgendwann kam er mit ein paar Kameraden auf die Idee, dass es ganz nett wäre in der Heimat ein paar Bier zu trinken. Gesagt getan. Die Truppe krallte sich einen LKW und knatterte damit von Seefeld nach Bregenz und zurück. Das sind satte 500 Kilometer. Dass dies bei den militärischen Vorgesetzten nicht gut ankam, kann man sich vorstellen.
Innovatives in Sachen Heizung
Nachdem Hubert Ratz die Uniform an den Nagel gehängt hat, wurde es ernst mit dem Berufsleben als Hafner. Durch ein Zeitungsinserat kam er 1976 zum nachmaligen Innungsmeister Herbert Knapp nach Bregenz und konnte natürlich nicht ahnen, dass er später einmal dessen Nachfolger an der Spitze der Vorarlberger Landesinnung werden sollte. Er blieb dem Betrieb bis 1983 treu und legte im Jahr 1979 die Meisterprüfung ab.
1984 kam es dann zur Gründung der eigenen Firma, die wegen guter Mundpropaganda recht erfolgreich anlief. Allerdings wollte sich Hubert nicht mit der alltäglichen Abwicklung von Kachelöfenaufträgen begnügen. Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen ärgerte ihn vor allem, dass Bauherren und Architekten meistens erst nach der Planungsphase zum Hafner Kontakt aufnehmen – ein allgemeines Branchenproblem übrigens. Deshalb propagierte er schon relativ früh die Idee der Ganzhausheizung. 1987 entwickelte er neue Formen der Hypokaustenheizung mit und war zwei Jahre später auch bei den Grundprinzipien für das inzwischen allseits bekannte Toby-Ganzheizungssystem beteiligt. Es folgten über die Jahre immer wieder Sonderprojekte. Zum Beispiel für die Alpenwirtschaft. 1990 entwickelte Hubert Ratz eine Sennerei und Molkereianlage, bei der die Wärme für die Käseerzeugung von einer berechneten Feuerstelle kommt.
Vom Wilderer zum Tierschützer
Trotz des Amtes als Landesinnungsmeister, das Ratz seit 2005 bekleidet und der Fortentwicklung von Heizsystemen aller Art ist er der Landwirtschaft, der Jagd und dem Forst verbunden geblieben. Zum Beispiel als Obmann einer Genossenschaft, die auf der Alpe Ostergunten Käse produziert. Der einstige Wilderer ist auch zum Heger und Pfleger mutiert und sorgt bei starker Schneelage für die Rehfütterung. Da ist hilfreich, dass er auch als Bergsteiger aktiv ist.
Hubert Ratz hat vier Kinder – Klaus, Karin, Nadja und Cornelia, sowie vier Enkel – Madlen, Anna, Nina und Jodok und ist seit vielen Jahren mit seiner Lebensgefährtin Sandra Geissinger zusammen.
Berufliche Stationen
1974 Lehrabschluss
1975-76 Präsenzdienst
1976-83 Firma Knapp
1979 Meisterprüfung
1984 Firmengründung
Seit 1990 Ausschussmitglied LI Vorarlberg
Seit 2005 Landesinnungsmeister
Seit 2016 BIM-Stellvertreter