Ein tschechisch-japanisches Keramikerteam

Nun schon über ein Jahrzehnt leben und arbeiten die beiden außergewöhnlichen Keramiker Yasuyo Nishida und Vladimir Groh zusammen und betreiben ein gemeinsames Porzellanstudio etwa 70 km nordwestlich von Prag. Prof. Hubert Kittel portraitierte sie für uns.

“Pastel oval with feet ”: Porzellan, 10 cm hoch, handbemalt mit wasserlöslicher Metallfarbe / 1360 ℃ reduktionsgebrannt, Made in Czech / 2018.

An Vladimir und Yasuyo schätze ich besonders ihre exzellente Könnerschaft, ihr Studiokonzept sowie ihre vielfältigen Vermittler-Funktionen als Organisationstalente, Projektmanager, Seminarleiter, Dolmetscher und Gastgeber. Beide sind unentwegt unterwegs, sie sind wahre Globetrotter und Brückenbauer in der weltweiten Keramikszene und ergänzen sich vorzüglich in ihren Fähigkeiten, ihren kulturellen Prägungen, in ihrer jeweiligen handwerklichen Kompetenz und Arbeitsweise. Ihre keramische Leidenschaft, Lernbereitschaft, wie ihre Offenheit und Neugierde hat sie meines Erachtens zusammengeführt. Dabei waren ihre Wege hin zu ihrer Profession recht unterschiedlich.

Unterschiedliche Wege zur Keramik

Als sie sich Ende der 1990er Jahre kennenlernten, war Vladimir schon ein etablierter tschechischer Keramiker mit internationalem Wirkungskreis. Yasuyo absolvierte mit 23 Jahren die Keramikklasse an der angesehenen Musashino Art University in Tokyo und war danach auf der Suche nach weiterer Anregung und Qualifikation. Im Vergleich zu ihr war Vladimir ein Autodidakt und ein viel länger Suchender. Er fand im alten System des Realsozialismus oft nur durch List und Hartnäckigkeit seinen Neigungen entsprechend Wege der Selbstverwirklichung. So beendete er sein Ingenieurstudium an der TH Brünn nach drei Jahren vorzeitig, nicht ohne in den Kursen für plastisches Gestalten vom Material Keramik infiziert worden zu sein. Ungefähr 10 Jahre lang übte er Jobs aus, die ihm immer auch Freiraum boten, seine intellektuellen mit seinen künstlerischen Fähigkeiten zu verknüpfen. Über eine Tätigkeit als Antiquar z.B. gelangte er an keramische Fachliteratur aus dem Westen. Noch teilte der eiserne Vorhang Europa und die Voraussetzungen für ein Start-up ohne den Weg über die tschechischen Kunsthochschulen war nahezu unmöglich. Es gelang ihm dennoch, über die Arbeitsstelle seiner damaligen Frau, eine Keramikwerkstatt der tschechischen Armee zu nutzen!

“Plate – Pastel square”: Porzellan, 25 cm breit, handbemalt mit wasserlöslicher Metallfarbe / 1360 ℃ reduktionsgebrannt, Made in Czech / 2016.

Die keramische Brücke

1988 konnte er sich in einer ersten Personalausstellung präsentieren, die dabei erfahrene kollegiale Anerkennung bestärkte ihn ganz entscheidend. Er gründete die sehr aktive Gruppe Tschechischer Keramiker in Brünn. Als Mitinitiator der internationalen Austauschplattform Interchange reiste er zu Symposien und Workshops u.a. nach Spanien, Kanada, Japan und Korea. Vor allem mit seinem ersten Japanaufenthalt 1997 in Tokoname ging für ihn ein Traum in Erfüllung. 

”Zik -Zak cup- super white 2018”: Porzellan, handbemalt mit wasserlöslicher Metallfarbe / 1300 ℃, reduktionsgebrannt / 13 cm hoch. Hergestellt während des Artist in Residency – Internationales Keramikstudio Taoxichuan, Jingdezhen, China / 2018.

Gleichzeitig entwickelte sich diese „keramische Brücke“ nach Tokoname zu einem Glücksfall für Yasuyo. 2001 erhielt sie eine erste Einladung zu einem Workshop nach Tschechien.  Es begann für beide eine Zeit gemeinsamer Arbeits- und Ausstellungsvorhaben – noch mit jeweils eigenen Arbeiten. Diese enge Zusammenarbeit mündete 2005 in eine Fusion – mit Werkstattstandorten in Brünn bzw. später in Louny – und sie entwickelten eine seltene und bemerkenswerte Form der Übereinstimmung und Ergänzung. 

Technik und Ausdruck

Heute lehnen sie eine individuelle Autorenschaft an ihren Arbeiten ab. Wenngleich der Kenner bestimmte Techniken und Ausdrucksweisen einem der Beteiligten zuschreiben könnte. Beide kommen vom Drehen mit Steinzeugmassen, der Scheibenarbeit, zum Gießen von Porzellanmassen. Vladimir gelangte über eine autodidaktische Annäherung an den Werkstoff und Yasuyo über das Durchlaufen einer akademischen, vielseitigen Keramikausbildung, befördert durch ihre Herkunft und Praktika in Japans ältester Porzellanregion. Das gemeinsame Ziel war der Aufbau eines Porzellanstudios für Kleinserien und die Unikatproduktion. Noch lange ohne eigenen Gasofen arbeitend konnten sie ihre Porzellanglattbrände beim renommierten Porzellanunternehmen Cesky porcelan Dubi realisieren. Beide verbindet eine Vorliebe für im weitesten Sinne funktionale Gefäße und ein Studiokonzept der handwerklichen Verfeinerung und Individualisierung. Dabei zitieren sie gerne alltägliche Gebrauchsformen und verfremden diese – oft poetisch, humorvoll. Zum Teil nutzen sie auch Versatzstücke der industriellen Serie. Mit besonderer Delikatesse und zunehmender Raffinesse behandeln sie die Oberflächen. 

“Plate – Doble Blue”: Porzellan, 32 cm breit, handbemalt mit wasserlöslicher Metallfarbe / 1360 ℃ reduktionsgebrannt, Made in Czech / 2018.

Delikatesse und Raffinesse

Alle hier abgebildeten Arbeiten sind repräsentativ für einen Zeitraum etwa der letzten acht Jahre. Sie bleiben erkennbar und Themengruppen zuordenbar. Dennoch vollzieht sich ein allmählicher, behutsamer Wandel. Ihre Arbeiten sind im Wesentlichen bestimmt durch einen reduzierten Formenkanon und eine sehr differenzierte Oberflächenbehandlung, getragen durch eine atmosphärisch leichte Unterglasurmalerei. Sie gleicht einem Aquarellieren mit nuanciert eingesetzten Farbtönen ihrer Metallsalzlösungen (vor allem Kobalt, Chrom-, Nickel-, Eisen- und Kupfersalze). Das oft grenzenlose Fließen der färbenden Lösungen und das partielle Durchdringen des Scherbens wird durch unterschiedlich lange Trockenphasen und ein mehrfaches Verglühen versucht zu steuern. Diese Frische und Unbekümmertheit im Malerischen trifft auf eine plastische Detailausdruckslust: vielleicht durchdringen sich hier fernöstliche und böhmisch-mährische Motivwelten…

“Zik Zak Vases”: Porzellan, 30cm hoch, handbemalt mit wasserlöslicher Metallfarbe / 1360 ℃ reduktionsgebrannt, Made in Czech / 2018.

Humorvolle Formelemente

Ihre oft angefügten Formelemente wie: Henkel, Griffösen, Füße, Knäufe u.ä. haben bisweilen eine hintergründig-humorvolle oder surreal-bizarre Anmutung. Zunehmend beginnen sie sich zu lösen von ihrem klassischen Formrepertoire – neue Wege deuten sich an. Offenere Formen wie (un)runde bzw. quadratische Platten, große Schalen oder schlanke Zylinder ermöglichen eine noch bessere Wirkung der vielschichtigen Oberflächenbehandlung. Eine weitere Verlebendigung der starren Gießform entsteht durch nachträgliches Manipulieren der lederharten Rohform auf der Drehscheibe („verdrehen“). Die Stücke gewinnen so an plastischer Dynamik. Hier hat der jüngste Workshop-Aufenthalt in Shigaraki/Japan deutlich eine Tendenz zu mehr unikatischen Objekten verstärkt. Vor allem ihre Unterglasurmalerei gewann an Dichte und Leichtigkeit. Zuletzt können durch Unterglasurmalereistifte noch feine grafische Akzente gesetzt werden. Zu einer weiteren Spezialität gehört die Wachs-Reversage-Technik („Wasserglasur“). Die transparente Porzellanglasur scheint zu schrumpfen, wirkt geronnen und Perlen, Flecken- und Tropfengebilde entstehen. Die Palette ihrer Oberflächenveredelung wird durch einen partiellen Schlickeraufttrag („Stachel“- oder „Igel“-Oberfläche) abgerundet und im Aufglasurbereich setzen Vladimir und Ysuyo zur Staffage Platinpräparate ein. 

“Zik zak blue cup”: Porzellan, handbemalt mit wasserlöslicher Metallfarbe / 1300° / Reduktionsbrand. Hergestellt während des Artist in Residency – Internationales Keramikstudio Taoxichuan, Jingdezhen, China / 2018.

Leben mit und vom Porzellan

Ihre Produktionsweise orientiert sich natürlich auch an den Erwerbszwängen des europäischen Kunsthandwerkermarktes. Beide leben mit und von ihrem Porzellan. Deshalb sind sie fleißige Bewerber und Gäste renommierter Märkte und Messen. Neben ihrer ungebrochenen Reiselust geraten die Heimataufenthalte in Louny zu harten Arbeitsphasen. Yasuyo und Vladimir arbeiten seit Beginn ihres gemeinsamen Atelierschaffens mit Hartporzellan und brennen reduzierend zwischen 1340°C und 1360°C. Daneben experimentieren sie gerne mit neuen Porzellanmassen und -glasuren. Dies ist eine permanente Herausforderung und ein sehr sensibles Thema: insbesondere für die Stabilisierung und Verfeinerung ihrer Lösungsmalerei auf dem verglühten Scherben. 

Yasuyo und Vladimir sind sympathische Botschafter ihrer Länder.

Solidarisch und nachhaltig

Yasuyo und Vladimir sind sympathische Botschafter ihrer Länder, zugleich Weltbürger und verlässliche Partner. Ihr uneigennütziges Vermitteln von Kontakten und ihre bereitwillige Weitergabe von Fachwissen und Insider-Kenntnissen sind besonders hervorhebenswert. Ein ganz wichtiger Aktivposten war und ist ihre nachhaltige Unterstützung des nach 1993 neu eingerichteten Studienganges Keramikdesign der J.E. Purkyne Universität in Usti nad Labem (Aussig an der Elbe). Jährlich im thematischen Wechsel werden in einem Werkstattkomplex internationale Workshops veranstaltet. Vladimir und Yasuyo haben am Gelingen und an der professionellen Qualität ebenso wie Internationalität dieses Projektes einen  enormen Anteil. Auch hier sorgten sie mit ihrem diplomatischen Feingefühl und Organisationstalent für außergewöhnliche, gemeinschaftsstiftende Höhepunkte in der tschechischen und internationalen Keramikszene. 

Text: Prof. Hubert Kittel, Dipl. Formgestalter, Fachrichtungsleiter Keramik-/Glasdesign von 1994-2016 Burg Giebichenstein, Kunsthochschule Halle.

Kontakt:
Yasuyo Nishida und Vladimir Groh
CZ-44001 Louny
www.studioporcelain.cz

Fotos: Yasuyo Nishida/Vladimir Groh

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