Blüten, Riesen und der kleine „Karl“

Mit insgesamt 889 Ausstellern aus 40 Ländern und über 112.000 Besuchern hat sich die Cersaie auch heuer als internationale Leitmesse für Fliesen, Sanitärkeramik und Badezimmerausstattung behauptet.

Wirkliche „Neuheiten“ oder innovative Designansätze waren diesmal jedoch nicht dabei. Auf den italienischen Messeständen dominierten wie im Vorjahr Mega-Formate und verschiedenste Natursteininterpretationen, darunter sehr viel Marmor und hochglänzende, polierte Optiken. Nicht nur bei der Authentizität des Natursteins, sondern auch im Bereich der Beton- und Holzanmutungen sowie der klassischen Feinsteinzeug-Oberflächen verfeinern sich die Designs durch den Digitaldruck immer mehr – allerdings werden sich die präsentierten Serien dadurch auch immer ähnlicher. 

Neue Zurückhaltung

Der jährliche Messerhythmus treibt alle Hersteller vor sich her und immer wieder werden Stimmen laut die sich dafür aussprechen, die italienische und spanische Fachmesse abwechselnd durchzuführen – doch meiner Meinung nach gilt hier der als Verlierer, der in dieser Sache zuerst „nachgibt“. Daher wird wohl alles so bleiben wie bisher. Doch die Branche reagiert auf ihre eigene Weise:  so hat beispielsweise die Deutsche Steinzeug sich dieses Jahr bei Innovationen bewusst zurückgehalten. Es gab lediglich Anschauungsmaterial und Ausblicke auf 2020 mit wohldurchdachten Sortimentsvertiefungen sowie Format und Farbergänzungen. Hierzu präsentierte man eine Tile Box, in der diverse Formate und Fliesenserien in Farbfamilien geordnet angeboten werden mit dem Ziel, die Kombinationsfreude von Planern und Bauherren zu beflügeln. Anfang 2020 bringt der Hersteller mit der Neuheit „Karl“ eine handwerklich anmutende Fliesenkollektion in einem durchaus altgewohnten Kleinformat auf den Markt – man darf gespannt sein! Klinkerspezialist Ströher zeigte sich nach einem Jahr Messepause mit selektierten Neuheiten und präsentierte sich auf dem schicken Stand mit solidem Sortiment in hoher Qualität.

Mehr Mut zur Farbe

Auch bei Villeroy Boch beschränkte man sich auf schlanke sechs neue Serien. Gezeigt wurde ein gelungener Mix aus breitenwirksamen Verkaufsware und Fliesenkreationen, die gestalterisch mutig (nicht nur, aber auch) in bunten Blumenmotiven daherkommen. Natürlich ist beratungsintensiv, trotzdem meinen wir: Mehr davon täte der gesamten Messe gut! Vor vielen Jahren gab es das noch regelmäßig auf der Cersaie, doch dann wurde immer mehr bemängelt, dass sich diese Kreationen ohnehin nicht verkaufen lassen. Dem folgte der Sparstift und seitdem beherrscht uniformes beige/greige/weiß/grau die Messe. Doch der Umschwung in Richtung mehr Farbigkeit ist nunmehr eingeläutet!

Edle Natursteinriesen

Wirklich beeindruckend: Mit riesigen Formaten zeigt die Fliese, was sie kann und was alles möglich ist. Kaum auf einen Blick zu fassen waren die riesigen Platten an den Ständen vornehmlich italienischer Hersteller. Marmor gab hier den Ton an, doch wir haben auch viele andere Natursteinimitate gesehen und bestaunten so manche Riesenfliesen mit ihrer herangezoomten Edelsteinoptik – Wow, das haut einen um. Ein Sieg der Inkjet Technologie auf jeden Fall – aber es muss die Frage erlaubt sein, wer das (ver)kaufen und schließlich auch verlegen soll – und wo? Von diesem anhaltenden Trend zum Großformat profitieren eindeutig auch die Werkzeughersteller, noch nie gab es so ein großes Angebot an Tools für die Verlegung von XXL.

Aufgefallen ist uns außerdem…

Im Segment Wandfliesen gibt es bezüglich der Abmessungen wie gesagt ein imposantes Spektrum, das sich zwischen „XS“ – sprich: Klein(st)formaten in verschiedensten Ausführungen – und „XXL“ abspielt. Neben den Riesenformaten stachen großflächige Floralmuster ins Auge, die auch endlich mal wieder farbenfroher sind. (Tipp: Farbe kommt im nächsten Jahr bei den Fliesen groß raus!). Weiters hat sich der Einsatz von keramischen Platten in Küche, Arbeitsumfeld und als Wasch- und Spülbecken durchgesetzt. Und die Gegenbewegung zum Riesenformat hat ebenfalls bereits eingesetzt: verschiedene Hersteller zeigten Fliesen im „althergebrachten“ kleineren Urformat von ca. 20 x 20. Stark bleiben auch handwerkliche oder archaische Anmutungen wie zum Beispiel unregelmäßige Kanten oder „Used“-Effekte, die an „echtes Handwerk“ gemahnen sollen. Und: Terrazzo und Außenplatten bleiben trendy.

Innovatives beim Zubehör

Die innovationsfreudige Zubehör-Industrie lotet mit viel Spürsinn immer neue Nischen aus, in die es sich lohnt zu investieren. In diesem Bereich dominieren der Systemgedanke und der Wille zur produktübergreifenden Kooperation. Auffallend diesmal: die Hinwendung zum Thema LED-Technik und Smart Home mit Apps zur Fernsteuerung/Sprachsteuerung, sowie zu innovativen Profillösungen und neuen Ideen bei der Fußbodenheizung.

Messe-Resümee 2019

Angesichts der aktuellen Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz, die nun mitten in der Gesellschaft angekommen sind, steht es auch der Fliesenbranche gut an zu hinterfragen, wie Ressourcen verantwortungsvoll eingesetzt und Geld investiert wird. Jedenfalls besser nicht in ständige teure Neuheiten, die bereits im Folgejahr wieder im Kammerl verschwinden – manchmal sogar, ohne je in einen Ausstellungsraum zu kommen.

Trotz dieser kritischen Auseinandersetzung mit dem Messezirkus im Allgemeinen und der Cersaie im Besonderen bleibt
Bologna ein Pflichttermin für die internationale Fliesenwelt – nächster Termin:
28.9. – 2.10. 2020. 

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