Das „weiße Gold“ Porzellan hat Nándor Vidákovich in seinen Bann gezogen. In seinem Atelier in Bad Radkersburg fertigt der geborene Ungar Unikat für Unikat.
Als jungen Mann hatte es Nándor Vidákovich vom Element Erde ja eher weggezogen. Schiffskapitän oder Pilot, so lauteten die Berufswünsche des Budapester Gymnasiasten. Durchgesetzt hat sich dann doch sein künstlerisches Talent, sein ausgeprägtes Gefühl für Formen. Nach dem Schulabschluss setzte sich Vidákovich mit Bildhauerei und Fotografie auseinander, um schließlich zur Keramik zu finden. Die Töpferscheibe für die erste eigene Werkstatt in Budapest baute sich der 18-Jährige selbst. Er schloss sich der Künstlergruppe „Bagatell“ an, einer unabhängigen Initiative, und nahm bald an den ersten Ausstellungen teil.
Lehr- und Wanderjahre
Zwar hatte Vidákovich von Beginn an und neben allen anderen Tätigkeiten stets eine eigene Werkstatt, doch am Beginn seiner Laufbahn standen viele Jahre im Dienst von Werkstätten und Töpfereien, zunächst in Ungarn, später in Deutschland und Österreich. Die Lohnarbeit diente vorrangig dazu, seine Familie zu ernähren: mit seiner Frau Anikó, einer an der Universität Pécs ausgebildeten Malerin, hat er vier Kinder. In diesen Jahren lernte er, viel und schnell zu produzieren und perfektionierte auf diesem Weg seine Technik. Die körperlich oft fordernde Arbeit war ihm zugleich Sport. Er lernte die unterschiedlichsten Techniken und Stile kennen, von der traditionellen bäuerlichen Töpferei bis zum edlen Design. Darüber hinaus erweiterte er seine Kenntnisse bei zusätzlichen Ausbildungen in Österreich.
Die Werke aus seiner eigenen Werkstatt kennzeichnet seit 35 Jahren ein Löwe – dem Wunsch vieler Kunden folgend, ist das Tier auf vielen Stücken nicht nur als Bodenprägung, sondern auch als Dekoration zu finden. „Er verfolgt mich ein bisschen“, gesteht Vidákovich lachend.
Bad Radkersburg
Nachdem die Kinder das Nest verlassen hatten, wagten auch die Eltern einen neuen Schritt. 2011 eröffneten sie ein Atelier im Kulturhof Johannes Aquila in Bad Radkersburg. Hier im Innenhof eines barocken Stadthauses am Hauptplatz arbeiten die beiden in Nachbarschaft mit anderen Keramikern und einem Geigenbauer. Die kleine Kurstadt an der Grenze erweist sich als guter Boden für Kunst und Handwerk – und als guter Ort zum Leben für die beiden überzeugten Europäer.
Anikó hat das Fach gewechselt: der Wunsch, etwas mit den Händen zu gestalten, führte sie zur Keramik und zum Schmuckdesign. Aus der Malerei nahm sie die leuchtenden Farben mit, mit denen sie nun Keramikschmuck gestaltet. Farbdynamiken und Farbnuancen setzt Anikó stilsicher ein – und das nicht nur in der Keramik: Sie berät ihre Kunden auch in Stilfragen. Wer ein Kleidungsstück mitbringt, bekommt das damit harmonierende individuell gefertigte Schmuckstück.
„Wir hinterlassen nur unsere Spuren im Material“
Nándor entdeckte 2010 das Porzellan für sich und arbeitet seither fast ausschließlich mit dieser feinsten aller Keramiken. Das Material ist herausfordernd. Es gibt die Formen vor, die ihm entsprechen, und so entstehen in Vidákovichs Händen zarte Schalen und Tassen mit asiatisch anmutender Ästhetik, aber auch Porzellanfiguren für Kunstprojekte, Geschirr und Studioporzellan. Vidákovich ist begeistert vom edlen Weiß des Porzellans. Daher kommt es für ihn nicht in Frage, die Gefäße mit Farbe zu dekorieren. Kompromisslos, mit hohem Qualitätsanspruch und in der in jahrzehntelanger Arbeit geprägten eigenen Sprache fertigt der Keramiker hier Unikat um Unikat.
Handgetöpfertes Porzellan, das bedeutet für ihn, zum Ursprung zurückzukehren. Einerseits, sagt er, „hinterlassen wir nur unsere Spuren im Material“. Andererseits müssen alltägliche Gegenstände zu den menschlichen Dimensionen passen: „Wenn ich etwas mit der Hand forme, dann wird dieses Stück von Anfang an ergonomisch und technisch perfekt sein.“ Er verweist auf das Mittelalter, als die Menschen Maß am Körper nahmen – ein Fuß, eine Spanne, eine Elle. In den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts griff der Architekt Le Corbusier diesen Gedanken auf und entwickelte ein am Körper des Menschen ausgerichtetes Maßsystem. „Das Problem dabei ist“, merkt Vidákovich verschmitzt an, „dass die Menschen nicht alle gleich sind“, – und widerspricht sogleich: Es sei eben kein Problem, auch die Tassen müssen nicht alle gleich sein. Jede hat ihre eigene Persönlichkeit.
Das ganze Jahr über finden zahlreiche kunstsinnige Kurgäste, Touristen aus dem In- und Ausland und Einheimische den Weg vom Radkersburger Hauptplatz in den barocken Innenhof. Immer wieder ist Nándor Vidákovich auch auf Ausstellungen und bei Keramikmärkten zu finden. Wenn Zeit bleibt, widmet sich der vielseitige Künstler der Fotografie. Nándor Vidákovich sieht sich selbst nicht nur als Töpfer, sondern vor allem als bildenden Künstler, der sich auch plastischen Arbeiten widmet. Zur Zeit arbeitet er an Keramikplastiken für seine nächste Ausstellung.
„Die größte Anerkennung für mich ist“, sagt Vidákovich, „wenn jemand wieder zurück ins Geschäft kommt, und erzählt, er hat eine Frühstücktasse von mir seit Jahren und trinkt jeden Morgen seinen Kaffee daraus – und sie sieht heute noch so aus wie am ersten Tag.“
Kontakt
www.vidakovichkeramia.hu
vidakovich.keramik@gmail.com
Hauptplatz 2
8490 Bad Radkersburg
Text: Kristin Harrich
Fotos: Nandor Vidakovich